Die besonderen Therapierichtungen in Deutschland
Der Begriff Besondere Therapierichtung ist nur in Deutschland gebräuchlich. Er bezieht sich auf den Umstand, dass
- Phytotherapie,
- Homöopathie und
- Anthroposophie
im Jahre 1976 im Arzneimittelgesetz insofern eine Sonderstellung erhalten haben, als dass sie von naturwissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweisen für die Zulassung ihrer Arzneimittel ausgenommen wurden. Die Erlaubnis als Arzneimittel erfolgt durch Registrierung nach definierten Herstellungsverfahren, für die allerdings alle strengen Regeln und Auflagen der Arzneimittelherstellung gelten.
Die Begründung des Bundestagsausschusses:
„…nach einmütiger Auffassung des Ausschusses kann und darf es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, durch die einseitige Festlegung bestimmter Methoden für den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels eine der miteinander konkurrierenden Therapierichtungen in den Rang eines allgemein verbindlichen „Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse" und damit zum ausschließlichen Maßstab für die Zulassung eines Arzneimittels zu erheben. Der Ausschuss hat sich vielmehr bei der Beschlussfassung über die Zulassungsvorschriften, insbesondere bei der Ausgestaltung der Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis, von der politischen Zielsetzung leiten lassen, dass sich im Zulassungsbereich der in der Arzneimitteltherapie vorhandene Wissenschaftspluralismus deutlich widerspiegeln muss.“ (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit, 1976)
Weiterhin heißt es im Arzneimittelgesetz § 25 Abs. 2:
„…die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn (…)
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht …“ (AMG - Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln, 2025)
Die Formulierung „jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ bleibt hierbei bewusst offen und stellt klar, dass es verschiedene Gruppen geben kann, die eine eigene Wissenschaftlichkeit für sich in Anspruch nehmen und ausüben. Das Gesetz gewährt damit eine pluralistische Freiheit im Sinne des Artikel 5 GG Abs. 3.
Gegen diese sogenannte „Verwässerung des Wissenschaftsbegriffes“ wird seitens strenger Kritiker alternativer und komplementärer Heilweisen immer wieder in Zyklen angekämpft und von Vertretern der naturwissenschaftlichen Ausrichtung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, und gerade auch vom Denkstil so geprägter skeptischer Journalisten, öffentlich „Sturm gelaufen“.
Dahinter steht der paradigmatische Kampf um die Alleinherrschaft einer naturwissenschaftlich geprägten Biomedizin. Diese Haltung lehnt konzeptionell eine inhaltlich-methodische Vielfalt, welche sich nicht unter einem naturwissenschaftlichen Wissenschaftsbegriff zusammenfassen lässt, aus innerster Überzeugung zutiefst ab und möchte diesen Umstand daher beseitigen.
Einem solch rigorosen Vorgehen stehen verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen gegenüber, die in verkürzter Darstellung lauten:
„…Artikel 5 Abs. 3 [d. Grundgesetzes, Anm. d. Verf.] legt einen weiten Wissenschaftsbegriff zu Grunde. Er erlaubt keinen Alleinanspruch naturwissenschaftlicher Denkmodelle, sondern erfasst alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist; damit sind auch Mindermeinungen geschützt. … Den statistischen Methoden der EBM stehen deshalb die jahrhundertelangen Erfahrungen der Expirience based Medicine – insoweit als beste mögliche Evidenz gegenüber... Therapiefreiheit des Arztes und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zeigen, dass es schon auf der Freiheitsebene unterschiedliche und sich zum Teil widersprechende Vorbedingungen gibt. … Der vor allem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes beherrschende Grundsatz der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung führte dazu, dass Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gegenüber Ansprüchen der Versicherten und dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Leistungserbringer deutlich überwiegen. … Der damit verbundenen schleichenden Aushöhlung der klassischen Grundrechte aus
- Art. 2 Abs. 1 GG (Unternehmensfreiheit)
- Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz)
- Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit)
- Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie)
gilt es gegenzusteuern, indem man sich wieder darauf besinnt, dass das Grundgesetz die Person und ihre Rechte als tragende Grundsätze an den Anfang seiner Ordnung gestellt hat und nicht Versorgungssysteme und Umverteilungsbestrebungen.“ (Zuck, 2004, S. 217 f.)