Das Lebenskraft Modell in der Homöopathie
In den Beschreibungen des Organon §§ 9-17 (Hahnemann, 2017, nach der Ausgabe der 6. Aufl. von R. Haehl 1921) entwirft Hahnemann ein teleologisches Konzept regulativer Selbst-Steuerung. Die Zusammenfassung der Aussagen dieser Organon Passage betont aus epistemologischer Perspektive mehrere Aspekte, die Hahnemann als Thesen formuliert:
§9 |
Die Steuerung der Lebensprozesse ist autoregulativ organisiert, wobei alle Lebensvorgänge einem vernunftsorientierten, höheren Daseinszweck dienen. |
§10 |
Ohne Autoregulation ist weder Leben noch Krankheit möglich. |
§11 |
Krankheit entwickelt sich stets auf der Basis einer gestörten Regulation, was sich durch entstehende Symptome zeigt. Die Symptome sind somit die (mit den Sinnen) wahrnehmbaren Merkmale der gestörten Regulation. |
§12 |
Sind Symptome der alleinige Ausdruck der gestörten Regulation, ist bei Remission und wiedereinsetzender normaler Regulation, von wiederhergestellter Gesundheit auszugehen. |
§13 |
Krankheit ist somit keine eigene, vom Organismus und seinen Funktionen getrennte, innerlich bestehende materielle Entität. |
§14 |
Krankheit ist phänomenologisch nur anhand von Befunden und Auftreten von Symptomen erkennbar. |
§15 |
Der lebende Organismus und seine Autoregulation bilden ein untrennbares Ganzes, weshalb die gestörte Regulation und ihre Symptome ebenfalls eine Einheit sind, auch wenn man das aus zum besseren Verständnis begrifflich trenne. |
§16 |
Autoregulative Prozesse stehen in ihren Reaktionen unter dem Einfluss von äußeren Einflussfaktoren (Stressoren). Sie sind von den Kontext- und Umweltbedingungen abhängig, mit denen sie in Wechselwirkung stehen (Homöodynamik). In vergleichbarer Weise wirken Arzneien und sind daher in ihrer Wirkung, ihrem beobachtbaren Einfluss auf die psycho-neuro-immunologische Regulation, symptomatisch zu erkennen. Die arzneiliche Heilwirkung beruht somit einzig auf der beobachtbaren Fähigkeit, Umstimmungsprozesse auszulösen. |
§17 |
Das Ideal der Heilung, das vollständige Verschwinden sämtlicher Symptome und Zeichen der Krankheit, basiert auf einer Reorganisation der Autoregulation. Wird dies durch eine erfolgreiche Behandlung erreicht, wird die Gesundheit wiederhergestellt. Hierin liegt das höchste Ziel jeglichen ärztlichen Handelns. |
Diese radikal erscheinende Umformulierung der Organon Paragraphen mag tradierte Vorstellungen vordergründig verblüffen. Die aufgestellten Thesen Hahnemanns sind jedoch mit dem Prinzip der Autoregulation, dem Konzept des aus sich selbst heraus regulierenden Prinzips lebender Organismen, auf äußere und innere Reize zu reagieren, recht gut vereinbar. Die Formulierungen Hahnemanns und ihre Termini sind daher nicht wortwörtlich zu verstehen, sondern erklären sich ihrem Sinn nach, durch ihre epochale Zuordnung.