Meta-Analysen und Reviews zur Homöopathie

Einführung

Eine Meta-Analyse ist eine Übersicht zu Primärforschungen, die mit statistischen Mitteln erarbeitet wird. Dafür werden die Forschungsarbeiten in einer Übersicht nach einheitlichen, statistisch erfassbaren, Kriterien vergleichbar präsentiert und in der Summe aller einzelnen Effektstärken, der Effektgröße, zusammengefügt. Der wesentliche Unterschied zur systematischen Übersichtsarbeit (engl. Review) liegt darin, dass ein Review die früheren Forschungsdaten und -publikationen zusätzlich kritisch analysiert und gewichtet – während die Meta-Analyse nur eine quantitative und statistische Aufarbeitung der früheren Ergebnisse umfasst. Meta-Analysen werden in allen Forschungsgebieten durchgeführt, in welchen empirische Daten anfallen. Dazu gehören Sozialwissenschaften, Medizin und viele Naturwissenschaften.

Bedeutung in der Medizin: Meta-Analysen fassen die Ergebnisse vieler Studien zusammen und ermöglichen eine quantitative Aussage über die Effektivität und Wirksamkeit einer Diagnostik bzw. Therapie – Dies gilt für alle Forschungsarbeiten zu dem Thema, die in einer Gesamtschau in der Meta-Analyse eingeschlossenen sind.

In zeitlicher Reihenfolge sind folgende Meta-Analysen und Reviews zur Homöopathie veröffentlicht worden:

  • [1] Kleijnen J., Knipschild P., Ter Riet G. (1991, 9. Feb). Clinical trials of homoeopathy. British Medical Journal, 1991;302:316. https://doi.org/10.1136/bmj.302.6772.316
  • [2] Linde K., Clausius N., Ramirez G., Melchart D., Eitel F., Hedges L.V., Jonas W.B. (1997, Sep). Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. The Lancet, Volume 350, ISSUE 9081, P834-843. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(97)02293-9
  • [3] Cucherat M., Haugh M.C., Gooch M., Boissel J.P. (2000, Apr.). Evidence of clinical efficacy of homeopathy. A meta-analysis of clinical trials. European journal of clinical pharmacology, 56:27–33. https://doi.org/10.1007/s002280050716
  • [4] Shang A., Huwiler-Müntener K., Nartey L., Jüni P., Dörig S., Sterne J.A., Pewsner D., Egger M. (2005, 27. Aug.). Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. The Lancet, 366(9487):726- 32. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(05)67177-2
  • [5] Lüdtke R., Rutten A. L. (2008, 2. Okt.) The conclusions on the effectiveness of homeopathy highly depend on the set of analyzed trials. Journal of clinical epidemiology, 61(12):1197-204. https://doi.org/10.1016/j.jclinepi.2008.06.015
  • [6] Hahn R. G. (2013, 17. Okt.). Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data. Forschende Komplementärmedizin, 2013;20:376-81. https://doi.org/10.1159/000355916
  • [7] Mathie, R.T., Lloyd, S.M., Legg, L.A. , Clausen J., Moss S., Davidson J.R., Ford I. (2014). Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev 3, 142 (2014). https://doi.org/10.1186/2046-4053-3-142

Übersicht

Die folgenden beiden Tabellen geben einen Überblick über die Hauptaussagen der wichtigsten Meta-Analysen und Reviews. Folgend werden die wichtigsten Meta-Arbeiten vorgestellt und kommentiert.

Tabelle 1: Meta-Analysen zur Homöopathie

Autoren

Jahr

Hauptaussage

Kleijnen et al. [1]

1991

Zusammenfassend zeigt sich eine positive Evidenz homöopathischer Therapie, was die Autoren sehr überraschte. Die vorliegenden Studien sind nach aktuellen Kriterien inhomogen und teils von geringerer Qualität.

Linde et al. [2]

1997

Deutliche klinische Effekte der Homöopathie. Diese seien nicht durch Placeboeffekte zu erklären, weshalb weitere Forschung als sinnvoll und notwendig empfohlen wird.

Cucherat et al. [3]

2000

Die Wirkung homöopathischer Behandlungen liegt über dem Placeboeffekt, die Aussagen zur Evidenz sind bei geringer methodologischer Qualität eher niedrig einzuschätzen.

Shang et al. [4]

2005

Trotz einiger guter Arbeiten seien die klinischen Effekte der Homöopathie in der Summe reine Placeboeffekte.

Mathie et al. [7]

2014

Individualisierte Homöopathie hat einen statistisch robusten und signifikanten, spezifischen Therapieeffekt, die Effektstärke ist bei strengster Auswertung der Arbeiten jedoch gering. Empfehlung: Weitere qualitativ hochwertige Forschung ist notwendig.

Hierzu gehört auch die systematische Übersicht (Review) von Robert Hahn von 2013 und von Lütke & Rütten 2008.

Tabelle 2: Review zur Homöopathie

Autoren

Jahr

Hauptaussage

Lüdtke & Rutten [5]

2008

21 Studien der Metaanalyse von Shang et al. entsprechen internationalen Standards und zeigen einen signifikant positiven Effekt von Homöopathie gegenüber Placebo. Diese Arbeiten wurden in der End-Analyse von Shang et al. zugunsten von Arbeiten mit negativen Ergebnissen fallengelassen.

Hahn R. [6]

2013

Die Gleichstellung mit Placeboeffekten gelingt nur, wenn 90% der vorliegenden Daten unberücksichtigt bleiben. Weiterhin ist fraglich ob Meta-Analysen, welche alle Daten statistisch miteinander mischen, methodisch exakt genug sind und auch inhaltlich sinnvolle Ergebnisse produzieren.

Nachfolgend werden die wichtigsten Meta-Analysen vorgestellt und kommentiert.


Kommentar zur Meta-Analyse von Linde et al.

Die Evidenz der analysierten 89 Studien ist in dieser Meta-Analyse [2] von 1997 statistisch signifikant positiv zu Gunsten der Homöopathie (OR: 2.45; 95% CI 2.05 – 2.93). Dies schließt auch die Subgruppenanalyse der 26 Studien ein. Diese mit bester Qualität, fällt deutlich positiv aus (OR: 1.66; 95% CI 1.33 – 2.08). Die Autoren kommentieren zurückhaltend kritisch und fordern, wie in der Wissenschaft üblich, weitere Studien:

“The results of our meta-analysis are not compatible with the hypothesis that the clinical effects of homeopathy are completely due to placebo. However, we found insufficient evidence from these studies that homeopathy is clearly efficacious for any single clinical condition. Further research on homeopathy is warranted provided it is rigorous and systematic.” [2]

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Kommentar zur Meta-Analyse von Shang et al.

Hier handelt es sich um eine Vergleichsanalyse von Homöopathie und konventioneller Medizin [4]. Das Ergebnis der Analyse beruht auf einer Reduktion auf 8 Studien zur Homöopathie und 6 Studien zur konventionellen Medizin.

Im Ergebnis der Analyse ist die Homöopathie dem Placebo-Effekt nicht überlegen, während die konventionelle Medizin eine knappe Überlegenheit aufweisen kann. Werden alle zu Beginn eingeschlossenen 110 Studien zur Homöopathie und konventionellen Medizin herangezogen und ausgewertet, ist das Ergebnis für beide Therapierichtungen positiv.

Das Gesamtergebnis wird für alle 110 Studien jedoch nur grafisch im Funnel-Plot dargestellt, das statistische Gesamtergebnis, die Odds-Ratio (OR) wird gar nicht berichtet.

Leider fehlen in dieser Lancet-Veröffentlichung dann auch die Angaben, welche 8 bzw. 6 Studien für die endgültige Analyse ausgewählt wurden sowie die Gründe für die Auswahl. Hierfür wurde die Publikation heftig kritisiert.

Unklar bleibt auch, weshalb von den 26 Studien, die in der Analyse von Linde et al. [2] als hochwertig bezeichnet wurden hier insgesamt nur 8 Arbeiten übrigbleiben.

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Kommentar zum Review der Daten durch Lüdtke R. und Rutten A. L.

In diesem Review von Lüdtke und Rütten [5] zeigt sich, dass 21 Studien entsprechend internationalen Standards eine ausreichend gute Qualität hatten und bei diesen 21 Studien die Homöopathie einem Placebo signifikant überlegen war. Gleichzeitig waren die berücksichtigten Studien dabei auch sehr heterogen.

Das negative Ergebnis in der o.g. Analyse von Shang et al. konnte letztlich primär auf eine Studie zurückgeführt werden, bei der Marathon-Läufer prophylaktisch mit Arnika zur Verhinderung von Muskelkater behandelt wurden. Gerade diese Arbeit ist jedoch konträr zu den Prinzipien der Homöopathie, denn es handelt sich um eine prophylaktische Maßnahme und nicht um den Nachweis einer kurativen Maßnahme bei bestehenden Beschwerden. Eine derartige Prophylaxe widerspricht weiterhin dem Prinzip der Individualisierung nach dem Ähnlichkeitsprinzip, welches die Basis des homöopathischen Verschreibungsprinzips bildet. Werden die 21 qualitativ hochwertigsten Studien eingeschlossen, ist das Ergebnis, wie in der Meta-Analyse von Linde [2], positiv zu Gunsten der Homöopathie.

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Politische Dimensionen

Die Ergebnisse der Meta-Analyse ändern sich verständlicherweise mit dem gewählten Schwellenwert, der die Größe der Stichproben definiert. Aufgrund der hohen Heterogenität zwischen den verwendeten Studien, sind die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der besagten Meta-Analyse weit weniger eindeutig als von den Autoren präsentiert.

Die Meta-Analyse von Shang et al. [4] zog große Furore nach sich, sollte sie doch das Ende der Homöopathie einleiten. Dies erschien zunächst durch den Ausschluss der Homöopathie aus der Grundversorgung der Schweiz auch zu gelingen.

Verblieben erste Aufrufe zunächst unberücksichtigt, kamen erst im Laufe der folgenden 3-4 Jahre sukzessive die Ungereimtheiten und die mangelnde wissenschaftliche Seriosität der Analyse ans Tageslicht.

In Skeptiker-kreisen der Anti-Homöopathie-Bewegung gilt diese Meta-Analyse nach wie vor als Standardbeweis zur Unwirksamkeit der Homöopathie.

Kommentar zum Review von Robert Hahn

Eine objektive Analyse des vorliegenden Datenmaterials und aller Schwierigkeiten der statistischen Analysemethoden erfolgte 2013 durch Robert Hahn [6]. Das Ergebnis der Analyse zeigt, dass ein fehlender Effekt zur Homöopathie nur postuliert werden kann, wenn konsequent lediglich 10% der Daten berücksichtigt, mit anderen Worten 90% aller Arbeiten ausgeschlossen werden. Die Veröffentlichung zeigt weiterhin, dass indikationsübergreifende Meta-Analysen zur Homöopathie qualitativ grundlegend kritisierbar sind:

Es werden verschiedene Krankheiten mit verschiedenen Formen der Homöopathie behandelt und in der Auswertung zusammen gemischt. Ein solches Vorgehen ist auch in der konventionellen Medizin nicht besonders sinnvoll. Niemand würde auf die Idee kommen, z.B. die Effektivität einer Appendizitis-Operation mit einer medikamentösen Behandlung zur Blutdrucksenkung gemeinsam auszuwerten, um dann die Wirksamkeit der Medizin als Ganzes zu beurteilen.

Es wäre somit weitaus sinnvoller, die Evidenz der Homöopathie mittels Meta-Analysen auch in Bezug auf einzelne Krankheitszustände zu überprüfen.

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Meta-Analyse von Mathie et al.

Arzneimittel, die in der individualisierten Homöopathie verschrieben werden, haben wahrscheinlich spezifische Behandlungseffekte, die als statistisch gering bewertet werden. Die Ergebnisse stimmen mit Untergruppendaten überein, die in einem früheren „globalen“ systematischen Review verfügbar waren. Die geringe, bzw. unklare Gesamtqualität der Evidenz erfordert Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse. Neue qualitativ hochwertige RCT-Forschung ist notwendig, um eine aussagekräftigere Interpretation zu ermöglichen. [7]

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Kommentar von Dr. Michael Teut

Dazu ein Kommentar zur Meta-Analyse von Mathie et al. von Dr. med. Michael Teut­­ [8]­:

Was unterscheidet die neue Metaanalyse von den Bisherigen?

Es handelt sich um die aktuellste und bisher umfangreichste Literaturrecherche, die auch Datenbanken einschließt, die bisher nicht berücksichtigt wurden bzw. nicht verfügbar waren. Ausschließlich Studien zur individualisierten Homöopathie (sog. Einzelmittel-Homöopathie” oder “klassische” Homöopathie) wurden eingeschlossen. Dies war bisher nicht der Fall.

Die Heterogenität der ausgewählten Studien wurde in der statistischen Analyse in besonderer Weise berücksichtigt. Die Studien wurden anhand eines vorab veröffentlichten Protokolls ausgewertet und auch bezüglich des Risikos beurteilt, einen Bias zu enthalten.

Welche Ergebnisse beschreibt die neue Metaanalyse?

Es wurden randomisierte und doppelt verblinde Studien, die individualisierte Homöopathie gegen Placebo-Therapie vergleichen, ausgewertet. Vollständige Datensätze aus 22 der insgesamt 32 identifizierten Studien konnten in die Analyse einbezogen werden.

Es wurden insgesamt 24 Diagnosen behandelt. Im Durchschnitt nahmen 43,5 Teilnehmer an den Studien teil, es wurden insgesamt 28 Outcome-Parameter in allen Studien erhoben.

Für alle 22 Studien ergab sich eine Überlegenheit der Homöopathie gegenüber Placebo (Odds Ratio 1,53 – 95% Konfidenzintervall 1,22 – 1,91; p < 0,001). Es gab keine Hinweise auf einen Publication Bias im Funnel Plot, die statistische Heterogenität war gering.

Die Autoren schließen aus ihrer Analyse, dass Arzneien, die auf der Basis einer individualisierten homöopathischen Arzneifindung verschrieben werden, einen kleinen, aber spezifischen Therapieeffekt haben.

Welche Bedeutung hat die neue Metaanalyse?

Es wird hier methodisch fundiert belegt, dass die bisherigen Studien zur individualisierenden Homöopathie einen Therapieeffekt aufweisen, der den sogenannten Placeboeffekt übersteigt. Die Arbeit legt somit nahe, dass es eine spezifische Wirkung homöopathischer Arzneimittel gibt. Zwar weist diese im Vergleich zu Placebos nur einen kleinen zusätzlichen Effekt auf, dieser ist jedoch statistisch signifikant.“ [8]

Kommentar des Homeopathy Research Institut (HRI)

Bisher wurden 6 Meta-Analysen zur Homöopathie durchgeführt, 5 davon mit einem positiven Ergebnis, dass die Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus wirksam ist. Jedoch ist weitere qualitativ hochwertige Forschung nötig, um präzisere und weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen. [9]

Bis Ende 2023 wurden 286 randomisierte kontrollierte Studien zur Homöopathie in peer-reviewed Zeitschriften veröffentlicht. Darunter sind 166 Studien Placebo-kontrolliert und untersuchen die Wirkung bei etwa 100 verschiedenen Erkrankungen. Diese kommen für eine weitere detaillierte Bewertung in Frage mit dem Ergebnis:

  • 42 % der untersuchten Arbeiten vielen positiv auf,
  • 3 % waren klar negativ und zeigten keine Wirkung der Homöopathie und bei
  • 55 % war das Ergebnis nicht eindeutig. [10]

Systematic Review zur Homöopathie von Hamre et al.

Seit 2023 liegt zusätzlich ein systematisches Review zu diesen sechs Meta-Analysen (MA) vor (Hamre et al., 2023).

Gegenstand des Reviews ist die Qualitätsbewertung der Gesamtevidenz anhand eines Kriterienkatalogs (GRADE-System). Hierzu werden Methodik und Ergebnisse der genannten MA nebeneinandergestellt, verglichen und bewertet, um ein differenzierteres Verständnis und größere Sicherheit zu erlangen, als es durch die isolierte Wirksamkeitseinschätzung einer einzelnen MA möglich ist.

Ausschnittsweise folgt hier eine Zusammenfassung des Artikels von Kiene, Hamre & Martin 2024 über das benannte Review.

Die Analyse zeigt, dass fünf der sechs Meta-Analysen eine zusammenfassende Effektschätzung für alle eingeschlossenen Studien vornehmen. Alle fünf zeigten signifikant positive Effekte für Homöopathie.

Vier MA nahmen eine Effektschätzung nach Beschränkung auf Studien mit höherer methodischer Qualität vor. In drei Analysen blieben die signifikanten positiven Effekte der Homöopathie erhalten, in einer MA blieb der Effekt positiv, jedoch nicht signifikant. Die methodische Qualität der Homöopathie Studien war ähnlich oder höher als bei anderen klinischen Studien aus vergleichbarem Zeitraum mit gleichem Design und identischen Bewertungskriterien.

Die Einstufung der Gesamtevidenz für Homöopathie (hoch / moderat / niedrig / sehr niedrig) war

  • hoch für individualisierte Homöopathie (in zwei MA untersucht),
  • moderat für nicht-individualisierte Homöopathie (eine MA) und
  • moderat für jegliche Homöopathie (drei MA mit MIX).

Nach Beschränkung der Evidenzquellen auf die drei MA mit geringstem Verzerrungsrisiko wurde die Qualität der Gesamtevidenz für jegliche Homöopathie als hoch eingestuft, die anderen Einstufungen blieben unverändert. Die Übersicht zeigt 53 % positive und potenziell positive gegenüber 44 % unwirksamen Ergebnissen.

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Diskussion des Reviews

Das Review wurde bei der offenen Begutachtung des Publikationsmanuskriptes (Zeitschrift Systematic Reviews) kommentiert mit:

„The author’s research is rigorous and has strong data analysis skills“ und „This is an extremely detailed and well written systematic review of meta-analyses of trials in homeopathy“. (Hamre et al. (2023). Peer Review Reports; Author comments - Harald Johan Hamre; Report 17 Jun 2023).

Abwertend kritische Kommentare zu diesem Review beruhen auf Unkenntnis oder Missverständnissen der Methodik eines systematischen Reviews von MA. Kommentar der Autoren:

Selbiges gilt auch für Aussagen des Antragstellers gegen Homöopathie beim Ärztetag. Es wurde behauptet der Review würde eine neue Effektschätzung aller Studien der sechs MA vornehmen und Mehrfachverwendung von Studien vornehmen, weshalb „es zu einem nur scheinbaren positiven Ergebnis durch Multiplikation weniger positiver Studien gekommen sei“. Richtig ist, das Review enthielt keinerlei neue Effektschätzungen von Einzelstudien, sondern nur Bewertungen der sechs MA nach dem GRADE System. [13]

Analyse zur klinischen Wirksamkeit der Homöopathie von Bonamin et al.

In der Arbeit von Bonamin et al. aus 2024 werden in einer online Evidenz-Lücken-Karte (Evidence Gap Map) Auswertungen sämtlicher Systematic Reviews zur Homöopathie von 1991 - 2021 grafisch aufgearbeitet dargestellt.

Von 231 identifizierten Systematic Reviews (SR) wurden 51 vollständig erfasst. Alle Arbeiten, die von den jeweiligen Autoren mit einem hohen Risiko für BIAS eingestuft wurden, kamen nicht in die Auswertung hinein.

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Methodik und Ergebnisse

Die methodische Qualität wurde anhand der AMSTAR-2-Kriterien[1] für das Konfidenzniveau des SR bewertet: positiv, potenziell positiv, unwirksam, nicht schlüssig oder negativ.

Die Vielfalt verstreuter Ergebnisse und die begrenzte Anzahl von Studien mit einer erheblichen Heterogenität der Interventionen, Ergebnisse und Protokolle sind ein grundlegendes Strukturmerkmal der homöopathischen Fachliteratur und stellten das Hauptproblem der Auswertung dar, weshalb letztlich 42 der ausgewählten 51 Arbeiten (82,4 %) nicht vergleichend verwertbar waren.

Aus diesem Grund wurden auch spezifische, in den systematischen Reviews berichtete Details erfasst, um die Sensitivität der Analyse zu erhöhen. Die qualitativ hochwertigsten systematischen Reviews sowie die darin zitierten Studien wurden abschließend aufgeführt und sollen als hilfreiche Beispiele für zukünftige klinische Arbeiten dienen.

Künftig ist die Definition von Standardarbeitsanweisungen als Leitfaden guter klinischer Praxis erforderlich, um die internationale Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit von Ergebnissen zu fördern.

Das Ergebnis dieser Übersichtsarbeit weist dennoch auf interessante Aspekte, welche in der Diskussion um die Homöopathie Forschung etablierte Meinungen grundsätzlich infrage stellen:

  1. Fast alle SR wurden in hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlicht, wie aus dem Scientific Journal Ranking[2] (SJR) hervorgeht und mit einem Impactfaktor[3] (IF) von 9,38 hervorgeht. Die wissenschaftliche Literatur zur Homöopathie ist somit gegenüber anderen biomedizinischen Wissenschaften gleichwertig, wenn auch insgesamt weniger umfangreich.
  2. In der Summe existiert eine bemerkenswerte Anzahl von Studien zum individualisierenden Therapieansatz. Etwa 27 % der Interventions-Ergebnisse und etwa die Hälfte der hochwertigsten Primärstudien in den SR konzentrierte sich auf individualisierende Homöopathie (iHom). Damit bildet sich die iHom als Goldstandard für die Behandlung heraus und sollte als Schwerpunkt weiter erforscht werden.
  3. Es wird in den SR ein breites Spektrum an Erkrankungen erfasst, ohne dass ein Bereich dominierte: chronische Erkrankungen 17 %; Infektionen 15 % ; Metabolische Störungen 13 % ; Schmerz 11 % ; Mentale Beschwerden 8 % ; Erkrankungen der reproduktiven Organe 7% ; Zahngesundheit 7 % ; Lebensqualität und Wohlbefinden 7 % ; Andere 15 %.
  4. In den meisten Studien wurde der Aspekt des Wohlbefindens und der Lebensqualität nur minimal erforscht, was in Bezug auf den holistischen Wirkansatz der iHom überraschend ist. In zukünftigen Arbeiten sollte hier mit guten Standards genauer nachgeforscht werden.

Analyseschwierigkeiten von iHom-Studien

In der Zusammenschau fallen zwei Aspekte wesentlich auf:

  1. Die Verschreibungsmethodik ist oft nicht exakt genug beschrieben, was genau wie individualisiert wurde.
  2. Die Fähigkeit der Verschreiber die passende Verschreibung vorzunehmen wird nicht getestet
  3. Klinische Parameter, die mit Anpassungsreaktionen verbunden sind, werden bei den meisten Protokollen für die Homöopathie Forschung selten berücksichtigt.

Diese Diskrepanz hat vornehmlich zwei Gründe. Einerseits fehlt es homöopathischen Fachkräften an Wissen über klinische und epidemiologische Forschung, was zu Unstimmigkeiten bei der Gestaltung von Studien führt, während es andererseits Fachkräften in der konventionellen klinischen und epidemiologischen Forschung an Vertrautheit mit der phänomenologischen Arbeitsweise der individualized homeopathy (iHom) mangelt.

Aus diesen Gründen werden auch wesentliche Merkmale - nämlich auf welche Weise lebende Systeme auf iHom Reize als Ganzes reagieren, was häufig zu größerer Robustheit gegenüber schädlichen Reizen einhergeht - nicht angemessen erfasst. Gerade klinische Verbesserungen, die aufgrund von Anpassungsreaktionen über die Zeit erfolgen, werden dann in der Studienauswertung nicht berücksichtigt.

Zusammenfassung

Die Heterogenität der bisherigen Arbeiten lässt sich durch diese Komplexität gut erklären. Es sind also viele Arbeiten im Ergebnis unbefriedigend, weil die verwendeten Forschungsansätze und Abstimmungen der Parameter nicht gut zur Thematik passen und das Forschungsmaterial uneinheitlich zusammengestellt wurde.

Die Arbeit von Bonamin et al. (2024) kommt mit dem angewendeten Bewertungsmaßstab (AMSTAR-2) zu ähnlichen Ergebnissen wie das parallel erstellte Systematic Review von Hamre et al. (2023), welches mit einem anderen Bewertungsmaßstab (GRADE) arbeitete. Die Verteilung der Ergebnisse: positiv, potenziell positiv und unwirksam unterscheidet sich nicht signifikant, was die Unvoreingenommenheit der Bewertungen bestätigt.


[1] Lorenz, R., Matthias, K., Pieper, D., Wegewitz, U., Morche, J., Nocon, M., Rissling, O., Schirm, J., & Jacobs, A. (2019). Das Qualitätsbewertungsinstrument AMSTAR 2: Wie aussagekräftig ist die Gesamteinschätzung in das Vertrauen der Review-Ergebnisse und welche Items sind besonders wichtig?. EbM und Digitale Transformation in der Medizin; 20. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. https://doi.org/10.3205/19EBM109

[2] Das Scientific Journal Ranking (SJR) bewertet Zeitschriften nach ihrem wissenschaftlichen Einfluss auf Grundlage einer Zitationsanalyse und dem Prestige einer Zeitschrift.

[3] Impactfaktor IF - errechnete Zahl zur Zitierhäufigkeit einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift, Werte über 10 gelten als herausragend.


Quellen und Referenzen

[1] Kleijnen J., Knipschild P., Ter Riet G. (1991, 9. Feb). Clinical trials of homoeopathy. British Medical Journal, 1991;302:316. https://doi.org/10.1136/bmj.302.6772.316

[2] Linde K., Clausius N., Ramirez G., Melchart D., Eitel F., Hedges L.V., Jonas W.B. (1997, Sep). Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. The Lancet, Volume 350, ISSUE 9081, P834-843. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(97)02293-9

[3] Cucherat M., Haugh M.C., Gooch M., Boissel J.P. (2000, Apr.). Evidence of clinical efficacy of homeopathy. A meta-analysis of clinical trials. European journal of clinical pharmacology, 56:27–33. https://doi.org/10.1007/s002280050716

[4] Shang A., Huwiler-Müntener K., Nartey L., Jüni P., Dörig S., Sterne J.A., Pewsner D., Egger M. (2005, 27. Aug.). Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. The Lancet, 366(9487):726- 32. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(05)67177-2

[5] Lüdtke R., Rutten A. L. (2008, 2. Okt.) The conclusions on the effectiveness of homeopathy highly depend on the set of analyzed trials. Journal of clinical epidemiology, 61(12):1197-204. https://doi.org/10.1016/j.jclinepi.2008.06.015

[6] Hahn R. G. (2013, 17. Okt.). Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data. Forschende Komplementärmedizin, 2013;20:376-81. https://doi.org/10.1159/000355916

[7] Mathie, R.T., Lloyd, S.M., Legg, L.A. , Clausen J., Moss S., Davidson J.R., Ford I. (2014). Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev 3, 142 (2014). https://doi.org/10.1186/2046-4053-3-142

[8] Teut M. (2014, 8. Dezember). Neue Metaanalyse: Individualisierte Homöopathie signifikant besser als Placebo. Abgerufen am 13. Juni 2022, von https://www.informationen-zur-homoeopathie.de/?p=862

[9] Klinische Studien im Überblick? Homeopathy Research Institut. Abgerufen am 1. November 2019, von www.hri-research.org/de (Aktueller Beitrag, verfügbar https://www.hri-research.org/de/informationsquellen/wichtiges-forschungsmaterial/klinische-studien-im-ueberblick/ überprüft am 7. Mai 2025)

[10] Welche wissenschaftlichen Beweise gibt es für die Wirkung der Homöopathie? Homeopathy Research Institut. Abgerufen am 7. Mai 2025, von https://www.hri-research.org/de/informationsquellen/homeopathy-faqs/wissenschaftliche-beweise-fuer-die-homoeopathie/

[11] Hamre, H. J., Glockmann, A., von Ammon, K., Riley, D. S., & Kiene, H. (2023). Efficacy of homoeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homoeopathy trials for any indication. Systematic Reviews, 12(1), 1–24. https://doi.org/10.1186/s13643-023-02313-2

[12] Hamre et al. (2023). Peer Review Reports From: Efficacy of homoeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homoeopathy trials for any indication. Abgerufen am 29. Mai 2025, von https://systematicreviewsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13643-023-02313-2/peer-review

[13] Kiene, H., Hamre, H. J., & Martin, D. (2024, Juni). Auch die Homöopathie hat einen berechtigten Platz in der wissenschaftsbasierten Medizin! In AerzteZeitung.de. Abgerufen am 13. März 2025, von https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auch-die-Homoeopathie-hat-einen-berechtigten-Platz-in-der-wissenschaftsbasierten-Medizin-450358.html

[14] Bonamin, L. V., Adler, U. C., Vilhena, E. C. D., Quaresma, C. H., Oliveira, A. P. D., Coimbra, E. N., Hosomi, J. K., Abdala, C. V. M., Schveitzer, M. C., Portella, C. F. S., & Ghelman, R. (2024). Presentation and Analysis of the Online Evidence Gap Map, “Clinical Effectiveness of Homeopathy”. Homeopathy, s-0044-1791490. https://doi.org/10.1055/s-0044-1791490


Verf.: glt | Rev.:  TBD | Lekt.: pz | zuletzt geändert 29.05.2025