Versorgungssituation in der homöopathischen Praxis

II - Begleitende Behandlung bei fachärztlichen Diagnosen

Die homöopathische Behandlung schwerwiegender Pathologien

Die homöopathische Behandlung schwerwiegender Pathologien chronischer Erkrankungen stellt zusätzliche Anforderungen an die Behandlungssituation in der ambulanten homöopathischen Praxis. Die Patienten wünschen in der Regel eine komplementäre Ergänzung zur fachärztlichen Diagnostik und Behandlung[i]. Zur Fallaufnahme werden umfangreiche Fallberichte, CD’s mit MRT- und CT-Aufnahmen mitgebracht.

Der Beratungsbedarf und insbesondere die Patientenführung bei schwerwiegenden und finalen Diagnosen bedarf neben einem umfangreichen medizinisch-psychologischen Wissen auch die Fähigkeit einer reflektierten Selbst- und Fremdwahrnehmung des Behandlers. Nur so gelingt eine authentische und offene Begegnung, in welcher die Betreffenden Vertrauen entwickeln können, selbstbestimmte Entscheidungen für ihr Leben aufgrund solider Informationen treffen zu können.

Aus Sicht des Behandlers bedeutet dies, nicht nur mit den jeweils aktuellen medizinischen Erkenntnissen des jeweiligen Fachschwerpunktes vertraut zu sein. Darüber hinaus wird vom Patienten eine fachgerechte Sicherheit in klinischer Diagnostik, dem verständlichen Erklären von Facharztbefunden und eine respektvoll ethische Reife und Festigkeit erwartet, um eine dauerhafte Begleitung anzunehmen.

Hinzu kommen eine Vertrautheit und das Verständnis des Behandlers der aktuellen konventionellen Therapien, der damit bestehenden Möglichkeiten, Risiken und die Einschätzung der Möglichkeiten operativer Verfahren im individuellen Fall.

Komplementäre homöopathische Behandlungen im Bereich der Onkologie

Die auffälligste Erkenntnis der Umfrage zeigt, dass derartige komplementäre homöopathische Behandlungen letztlich von maximal 10-15% und im onkologischen Bereich unter 10% aller Praxen häufiger (>1x/Mon.) angeboten und durchgeführt werden.

Diese Zahlen decken sich auch mit anderen Ergebnissen der Umfrage, wie:

  • Dauer der bisherigen Praxistätigkeit (>10 Jahre),
  • Anzahl der geleisteten Wochenstunden (> 40h/Wo), sowie
  • umfängliche Erreichbarkeit im Notfall- und Krisenmanagement,
  • die zeigen, dass tatsächlich nur 10-15% der derzeitigen primär homöopathisch arbeitenden Praxen ein solches Vollzeitangebot für Patienten bereitstellen.

Diese Ergebnisse beinhalten auch, dass die Entscheidung einer Langzeitbegleitung eine bewusste Entscheidung des mündigen Patienten darstellt, zumal die Kosten, abgesehen von einigen Privatversicherungsverträgen zu einem hohen oder zum überwiegenden Anteil vollständig vom Patienten selbst getragen werden.

Für die klassisch homöopathische Behandlung kommt hinzu, dass die Kosten für Medikamente nur einen verschwindend geringen Anteil der Gesamtkosten ausmachen, bezahlt wird im Grunde die Arbeitszeit der behandelnden Homöopathen (Arzt, HP).

Chronische Erkrankungen

Eine Sonderstellung nehmen chronische Erkrankungen ein, die lt. Umfrageergebnis in der ambulanten homöopathischen Praxis häufiger als 15% vorkommen.

Hierbei handelt es sich um:

  • Chronische Schmerzen, oft unklarer Genese
  • Hashimoto-Thyreoiditis
  • Rheumatoide Arthritis
  • Multiple schwere Arthrosen
  • Arterielle Hypertonie
  • Fortschreitende Varikosis II
  • Chronisch rezidivierende Gastritis

In diesen Fällen erwarten sich Patienten häufig eine Entlastung von regelmäßiger Medikamenteneinnahme, meist aufgrund von Nebenwirkungen, sowie eine Abmilderung einer fortschreitenden Verschlechterung im Verlauf der begleitenden homöopathischen Behandlung.

Der Erfolg wird seitens des Patienten also nicht nur an einer symptomatischen Verbesserung chronischer Beschwerden gemessen.

Kenntnis konventioneller Medikamente

Ein umfassendes Wissen über konventionelle Medikamente, wie Schmerzmittel, Säureblocker, Blutdrucksenker, L-Thyroxin Einnahme sowie erweitert auch über medikamentöse Schlafhilfen, SSRI u.a. sowie die Interaktion von häufig verschriebenen Wirkstoffen ist hier für eine angemessene Beratung und ggf. fachärztliche Überprüfung erforderlich. Oft erscheinen gerade auch ältere, multimorbide Patienten mit einer ganzen Tüte voller „Pillen“ über welche die beteiligten Fachärzte selten einen vollständigen Überblick haben.

Es folgen die Auswertungen der medizinischen Fachgebiete.


[i] Bei der Behandlung von Patienten mit Facharztdiagnosen bringen diese in der Regel Kopien ihrer Befunde mit und werden mit der bereits erfolgten Codierung (in der Regel ICD-10) weitergeführt. Deshalb wird in der Übersicht auf die Angaben zur ICPC-3 verzichtet.

Die Zahlen sind gegebenenfalls im Zehntelbereich zur besseren Übersicht gerundet, um Kommastellen zu vermeiden welche die wesentlichen Grundaussagen nicht verändern. Differentialdiagnostische Fragen ergeben sich in der Regel nicht. Die Darstellung der benötigten Fähigkeiten wird in der Publikation zum Praxis QM erläutert (Abschnitt Basisfähigkeiten und Expertise).

Aufgrund einer größeren Patienten-Nähe sind umgangssprachliche Begrifflichkeiten mit ihrer Unschärfe an vielen Stellen bewusst belassen worden, z. B. „Brustkrebs“ statt „Mamma-CA“.

Die angegebenen ICD-10 Schlüssel sind auf die entsprechende Seite des BfArm verlinkt: https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm (ICD-10-GM Version 2025) oder https://icd.who.int/browse10 (ICD-10 Version 2019 Englisch).

Wir pflegen Korrekturen laufend ein und freuen uns über Fehlermeldungen oder Verbesserungsvorschläge der vorgeschlagenen Diagnoseschlüssel.

Neurologische Erkrankungen und Störungen

Folgen neurologischer Traumata

Tabelle 1: Neurologische Erkrankungen und Störungen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Chronische Schmerzen

34%

35%

24%

7%

versch. Codes s.d.

Polyneuropathie

11%

29%

42%

18%

G60-G64

Multiple Sklerose

5%

20%

48%

27%

G35.-

Demenzsyndrome

5%

19%

41%

35%

F00-F03

Apoplex, Folgen

3%

20%

51%

26%

I69.-

Epilepsie

2%

18%

50%

30%

G40.-

Neurodegen. Erkrg.

3%

20%

43%

34%

G30-G32

Meningiome

0%

3%

17%

80%

D32.-

Traumata mit neurologischen Beschwerdekomplexen

Folgen neurologischer Traumata

Tabelle 2: Traumata mit neurologischen Beschwerdekomplexen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Nervenverletzungen

6%

26%

48%

20%

versch. Codes s.d.

Schädel-Hirn-Traumata

5%

24%

38%

33%

S06.

Rückenmarkstraumata

3%

13%

34%

50%

T09.3

Autoimmunerkrankungen

Tabelle 3: Autoimmun-Erkrankungen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Hashimoto Thyreoiditis

25%

41%

26%

8%

E06.3

Rheumatoide Arthritis

19%

41%

32%

8%

M06.-

Morbus Crohn

11%

32%

38%

19%

K50.-

Colitis Ulzerosa

11%

33%

34%

22%

K51.-

Morbus Basedow

4%

24%

41%

31%

E05.0

Kollagenosen

2%

13%

40%

45%

M30-M36; M35.-

Orthopädische Erkrankungen und Störungen

Tabelle 4: Orthopädische Erkrankungen und Störungen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Schwere Arthrose

15%

30%

35%

20%

M15-M19

Psoriasis Arthritis

8%

24%

39%

29%

L40.

Gutartige Tumore

1%

10%

27%

62%

siehe D10-D36

Aseptische Knochennekrosen

0,25%

3,75%

20%

76%

M87.0-M87.09

Chron. Osteomyelitis

0,5%

4%

19%

76,5%

M86.3- M86.69

Sudeck Dystrophie

1%

8%

31%

60%

G90.5

Beschwerden nach Gelenksprothesen

4%

12%

25%

59%

Indiv. Sympt. & M96.88; M96.9

Herz- Kreislauf- und Gefäßerkrankungen

Tabelle 5: Herz- Kreislauf- und Gefäßerkrankungen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Arterielle Hypertonie

42%

30%

20%

8%

I10-I15

Herzschwäche/ -insuffizienz

14%

33%

34%

19%

I50.-

Koronare Herzkrankheit (KHK)

10%

24%

37%

29%

I25.1-

Arterielle Verschluss Krankheit (AVK)

3%

17%

38%

42%

I70-I79

Varikosis

18%

30%

32%

20%

I80-I89

Innere Erkrankungen

Tabelle 6: Innere Erkrankungen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Chronische o. rezidiv. Gastritis

27%

45%

20%

8%

K29.-

Hyperurikämie

17%

33%

36%

14%

E79.0

Diabetes mellitus

14%

37%

36%

13%

E10-E14

COPD

9%

31%

35%

25%

J44.-

Zöliakie

6%

24%

39%

31%

K90.0

Sarkoidose

1%

6%

39%

54%

D86.-

Leberzirrhose

0,5%

7%

34,5%

58%

K74.3-K74.6 + Schlüsselnummer aus K74.7-!

K70.3

Mukoviszidose

0,25%

2,75%

22%

75%

E84.-

Onkologie

Tabelle 7: Onkologie

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Brustkrebs

9%

24%

39%

28%

C00-C97 Bösartige Neubildungen

Darmkrebs

4%

17%

36%

43%

Prostatakrebs

3%

14%

37%

46%

Magenkrebs

2%

6%

30%

62%

Pankreaskrebs

2%

4%

26%

68%

Nierenkrebs

1%

3%

17%

79%

Andere maligne Erkrankungen

Tabelle 8: Andere maligne Erkrankungen

Häufigkeit in der Praxis:

häufig 10x/Jahr

selten bis 10x/Jahr

sehr selten Einzelfall üb. Jahre

noch nicht behandelt

ICD-10

Lymphome

1%

7%

32%

60%

C00-C97 Bösartige Neubildungen

Leukämie

1%

6%

32%

61%

Maligne Knochentumore

0,5%

3%

18%

78,5%

Astrozytome

0,25%

2%

15,5%

82%

Gliablastome

0,25%

2%

23,5%

74%


Block I der Umfrage - Beratungs- und Behandlungsanliegen Block III der Umfrage - Akut und Notfall Konzept der Umfrage


Literaturverzeichnis

Die genannten Quellen dienten als Basis für die Erstellung der Umfrage zur Strukturierung der Frageblöcke. Sie finden sich auch als Quellenverweise an einzelnen Stellen im Gesamtdokument zur Versorgungssituation in der homöopathischen Praxis.

[1] Mader, F. H. & Riedl, B. (2018). Allgemeinmedizin und Praxis (8. Auflage / Erstauflage 1993). Springer Verlag.

[2] Hopcroft, K. & Forte, V. (2013). Differenzialdiagnostische Tabellen – Symptome in der Allgemeinmedizin (1. Aufl.). Huber Verlag.

[3] Klimm, H.-D. & Peters-Klimm, F. (Hrsg.). (2018). Allgemeinmedizin (6. Aufl.). Georg Thieme Verlag.

[4] Lehrke, P. (1998). Impfkonzepte in der Homöopathie Edition Forschung: Eine Erhebung zum Impfverhalten homöopathischer Ärzte. Hippokrates-Verlag.

[5] Impfpflicht versus informierte Entscheidung. (2019, 2. Mai). Deutsches Netzwerk EBM. Abgerufen am 18. Mai 2022, von https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/stellungnahmen-pressemitteilungen 02.05.2019).

[6] Lyons-Wyler, J., Thomas, P. (2021 Jan 22;18(3):936). Relative Incidence of Office Visits and Cumulative Rates of Billed Diagnoses Along the Axis of Vaccination. Int J Environ Res Public Health. doi: 10.3390/ijerph18030936.

[7] Hautärzte sehen Krätze auf dem Vormarsch. (2016, 28. November). Ärzteblatt. Abgerufen am 18. Mai 2022, von https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/71688/Hautaerzte-sehen-Kraetze-auf-dem-Vormarsch

[8] Schultz-Zehden, W. & Bischof, F. (1986). Auge und Psychosomatik (1. Aufl.). Deutscher Ärzteverlag.

[9] Jobst, D. (2013). Facharztprüfung Allgemeinmedizin: in Fällen Fragen und Antworten (4. Aufl.). Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH.

[10] Menopausal Hormone Therapy and Cancer Risk. (2015, 13. Februar). American Cancer Society. Abgerufen am 1. Juni 2022, von https://www.cancer.org/cancer/cancer-causes/medical-treatments/menopausal-hormone-replacement-therapy-and-cancer-risk.html

[11] Günthert, E. A. (2013). Psychosomatische Urologie: Leitfaden für die Praxis-Schriftenreihe der Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin (2. Aufl.). Schattauer.

[12] WONCA International Classification Committee, Mally, T., Committee, W. I. C., Tönies, H., Zehnder, K., Fischer, G. & Glehr, R. (2001). Internationale Klassifizierung der medizinischen Primärversorgung ICPC-2. Springer Publishing.

[13] Spinks A., Glasziou P.P., Del Mar C. B. (2021). Antibiotics for treatment of sore throat in children and adults. Cochrane Database Syst Rev. 2021 Dec 9;12(12):CD000023. https://doi.org/10.1002/14651858.CD000023.pub5

[14] Schweitzer, R., & Schröder, M. (2018). Die Heilpraktiker-Akademie. Gesetzeskunde, Notfallmedizin und Pharmakologie: Mit Zugang zur Medizinwelt. S.48.

[15] Galic, T. & Schnellrieder, H. (2018). Heilpraktiker mit Fachrichtung Homöopathie – ein Laienclub ohne Bildung? Homöopathie KONKRET. 11.Jahrgang, 12/2018, Heft 4. S.13-20.

[16] International Classification of Primary Care - 3rd Revision. Abgerufen am 11.1.2025 von https://www.icpc-3.info/

[17] BFARM - ICD-10-GM Version 2025. Abgerufen am 11.1.2025 von https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm