Versorgungssituation in der homöopathischen Praxis

Konzept der Umfrage

Zur Ermittlung häufiger Behandlungs- und Beratungsanliegen mit ihren Diagnosen in der ambulanten Praxis mit Fachschwerpunkt Homöopathie diente eine Datenbankanalyse der statistisch erfassten Häufungen einer Vollzeitpraxis aus einem Zeitraum von 15 Jahren als Ausgangspunkt.

Daraus wurde eine Umfrage[1] zur Bestandsaufnahme entwickelt, die als Teil eines zukünftigen Konzeptes zur berufstheoretischen Entwicklung dient. Das Versorgungsspektrum wurde in den Fragen 56-76 der Umfrage 2017/18 erfasst und zur Analyse in drei Umfrageblöcke unterteilt:

I) Allgemeine Beratungs- und Behandlungsanliegen

II) Begleitende Behandlung bei Facharztdiagnosen

III) Akute Behandlung und Notfallmanagement

I) Allgemeine Beratungs- und Behandlungsanliegen

Hier enthalten sind alle primär symptomatisch definierte Störungen, wie es in der Allgemeinmedizin üblich ist [1]. Als Grundlage dient hier der ICPC-3 (International Classification of Primary Care) und wird durch den ICD-10 und DSM-V ergänzt, wenn es erforderlich ist[2].

Berücksichtigt werden für die Auswertungen alle Anliegen, die mit deutlicher Signifikanz in der homöopathischen Praxis vorkommen und daher im Sinne einer guten Gesundheitsversorgung im komplementärmedizinischen Spektrum von der Kollegenschaft sicher erfasst und differenziert werden müssen.

In der Analyse werden zusätzlich die häufigen Differentialdiagnosen mit angegeben, wie sie sich in der homöopathischen Vollzeitpraxis tatsächlich vorkommen. Diese werden ergänzt durch gelegentliche und seltene differentialdiagnostische Fragestellungen, wie sie in der allgemeinmedizinischen Literatur genannt werden [1] [2] [3]. Auf diese Weise ist eine Gesamtschau möglich, die das Spektrum der erforderlichen diagnostischen Fähigkeiten aufzeigt, welches als Standard zur Entwicklung eines Qualitätsmanagements (QM) in der Praxis herangezogen werden kann.

Umfrageergebnisse - Block I

II) Begleitende Behandlung bei Facharztdiagnosen

Patienten mit feststehenden Facharztdiagnosen, welche homöopathisch begleitend behandelt werden, wurden unterteilt in die häufigen Facharztbereiche, wie: Neurologie, Orthopädie, Innere, gesondert Autoimmunerkrankungen, Herzkreislauf und Gefäßerkrankungen, HNO, Pädiatrie sowie Onkologie.

Da viele Diagnosen insgesamt in der Praxis eher selten sind und somit auch in der homöopathischen Praxis eine Rarität darstellen, wurden alle Nennungen aufgenommen, auch wenn sie unterhalb der Signifikanzschwelle[3] (>30%) liegen.

Eine abschließende Analyse {Link zur Analyse} wird sich mit dem erweiterten Fähigkeitsbedarf in Relation zu den Häufigkeiten in der Praxis beschäftigen.

Umfrageergebnisse - Block II

III) Akute Behandlung und Notfallmanagement

Auch beim Akut– und Notfallmanagement in der homöopathischen Praxis ist von besonderem Interesse, eine Übersicht der häufiger vorkommenden akuten Behandlungs- und Beratungsanliegen aufzustellen, wie sie in der homöopathischen Praxis derzeit tatsächlich vorkommen.

Dazu gehört auch die gesonderte Unterscheidung der Primärdiagnostik durch den homöopathisch arbeitenden Arzt oder Heilpraktiker selbst, sowie die begleitende Mitbehandlung bei akuten Exazerbationen chronischer Erkrankungen.

Weiterhin sollte ermittelt werden, wie reflexiv und verantwortlich die Behandler mit der eigenen Kompetenz und Expertise in Notfällen umgehen, da die anhaltende mediale Vorhaltung, dass „Homöopathen im Allgemeinen“ und insbesondere Heilpraktiker notwendige medizinische Maßnahmen verzögern oder behindern und insoweit eine potentielle Gefahr in der Patientenversorgung darstellen würden, immer wieder vielerorts publiziert wird

Umfrageergebnisse - Block III

Behandlungsanliegen und Häufigkeiten

In der Umfrage gab es zu jeder einzelnen Frage stets die Möglichkeit freier Ergänzungen. Dadurch sollte gewährleistet werden, keine signifikanten Angaben zu übersehen, die durch die Voranalyse der Datenbankauswertung eventuelle übersehen wurden.

Gefragt wurde auch nach der Häufigkeit. Die Unterteilung gliederte sich in:

  • Mehr als 1x/Monat, häufiger (= regelmäßig)
  • Bis zu 10x/Jahr, selten (= Einzelfälle die wiederholt vorkommen, z.B. 2x/Monat oder 2x/Quartal)
  • Nur wenige Einzelfälle pro Jahr
  • Noch gar nicht behandelt

Da sehr viele Kollegen Teilzeitpraxen betreiben, sind die Schwellenwerte folglich niedriger angesetzt um die relativen Häufungen insgesamt ohne Verzerrungen der absoluten Zahlen zu erfassen. Wer weniger arbeitet, hat absolut zwar weniger Fälle, was jedoch nichts über die Häufigkeitsverteilung der Diagnosen an sich sagt. Es ist wahrscheinlich, dass die häufigen Anliegen auch regelmäßig in allen Praxen vorkommen. Hieraus ergeben sich folglich die Schwerpunkte, da im Mix mit Vollzeitpraxen die Angaben zu den häufigen Behandlungsanliegen hoch ausfallen (relative Häufigkeit > 75%). Entsprechend wurde die relative Häufigkeit von Einzelfällen auf unter 30% gesetzt.[4]

Aus der Analyse des gesamten Spektrums der Versorgungsbereiche ergeben sich:

  • der tatsächlich angefragte Bedarf an homöopathischer Behandlung, sowie
  • die Schwerpunkte der diagnostisch therapeutischen Kenntnisse der Behandler,
  • der Bereich seltener Einzelfälle, die aus der diagnostischen Routine fallen und eine besondere Expertise benötigen, um gut geführt zu werden und
  • eine Übersicht zu differentialdiagnostischen Überlegungen und den abwendbar gefährlichen Verläufen (AGV) in der Analyse gesondert hervorgehoben (Red Flags).

Eine gesonderte Analyse soll zeigen, inwieweit der Vorbehalt der unzureichenden Versorgung durch eine primäre Inanspruchnahme einer homöopathischen Versorgung tatsächlich gerechtfertigt ist und an welchen kritischen Stellen dies sichtbar wird.

AGV und Behandlungsfehler in der homöopathischen Praxis

Wie häufig sind schwerwiegende Behandlungsfehler und Versäumnisse in einer primär homöopathischen Praxis, insbesondere einer HP-Praxis?

Eine besondere Aufmerksamkeit wurde in der Umfrage auf die Analyse des Verhaltens auf den AGV (abwendbar gefährlicher Verlauf) im Notfallmanagement und auf die Schnittstellen einer unzureichenden oder insuffizienten Therapie (failure to treat) gelegt. Auch wurde der Frage nach gegangen ob und in welchem Umfang und von wem Patienten aus diagnostischen Grenzen weiter delegiert werden. Dies betrifft besonders das Notfallmanagement sowie die Behandlung schwerwiegender Pathologien in Bezug auf die homöopathische Behandlung und damit die Frage: Was kommt tatsächlich wie häufig in der Praxis vor?

Kommentar

Die Umfrage-Ergebnisse stellen eine repräsentative Stichprobe der Heilpraktiker mit Fachschwerpunkt „Homöopathie“ vor. Diese sind daher nicht auf die Gruppe der gesamten Heilpraktikerschaft und auch nicht auf die gesamte Gruppe aller Homöopathen (Ärzte, HP und homöopathisch arbeitende Pharmazeuten und Hebammen) übertragbar. Aus diesem Grunde wurde der Frage des Gefahrenpotentials durch homöopathisch arbeitende HP zusätzlich durch die Analyse bestehender Studien und Gutachten nachgegangen. Diese Ergebnisse werden separat zusammengefasst.

Aufgrund einer größeren Patienten-Nähe sind umgangssprachliche Begrifflichkeiten mit ihrer Unschärfe an vielen Stellen bewusst belassen worden, z. B. „Brustkrebs“ statt „Mamma-CA“.

Die den Behandlungsanliegen zugeordneten Diagnoseschlüssel des ICPC-3 können mit ihren Erläuterungen hier nachgelesen werden: https://browser.icpc-3.info/ , oder in einer Übersicht auf einen Blick, farblich gut dargestellt hier: https://flyer.icpc-3.info.

Die angegebenen ICD-10 Schlüssel sind auf die entsprechende Seite des BfArm verlinkt: https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm (ICD-10-GM Version 2025) oder https://icd.who.int/browse10 (ICD-10 Version 2019 Englisch).

Wir pflegen Korrekturen laufend ein und freuen uns über Fehlermeldungen oder Verbesserungsvorschläge der vorgeschlagenen Diagnoseschlüssel.


Block I der Umfrage - Beratungs- und Behandlungsanliegen Block II der Umfrage - Fachärztliche Diagnosen Block III der Umfrage - Akut und Notfall

[1] Tjado Galic HP Hannover: Inhaltliches Konzept des Fragebogens, Entwickeln der Fragen, Analyse und Auswertung: Verfassen der Schriftlichen Analyse / Helmut Schnellrieder HP München: Erstellen des Online Fragebogens und Programm Betreuung, Überwachen des Fragebogeneingangs, Erstellen der Folien zur Ergebnispräsentation / Beratung: Prof. Dr. Hannah Bast Universität Freiburg, Lehrstuhl für Algorithmen und Datenstrukturen

[2] ICPC (International Classification of Primary Care), ICD (International Classification of Disease), DSM V Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

[3] Signifikanzschwelle oder Signifikanzniveau ist eine statistische Maßzahl, ab wann ein Wert bedeutsam oder wirksam wird.

[4] Die absolute Häufigkeit gibt an wie oft ein Ereignis (hier eine Behandlung) vorkommt. Die relative Häufigkeit beschreibt den Anteil der absoluten Häufigkeit (Ereignisse) an der Gesamtzahl aller, in diesem Falle, Behandlungen.

Literaturverzeichnis

Die genannten Quellen dienten als Basis für die Erstellung der Umfrage zur Strukturierung der Frageblöcke. Sie finden sich auch als Quellenverweise an einzelnen Stellen im Gesamtdokument zur Versorgungssituation in der homöopathischen Praxis.

[1] Mader, F. H. & Riedl, B. (2018). Allgemeinmedizin und Praxis (8. Auflage / Erstauflage 1993). Springer Verlag.

[2] Hopcroft, K. & Forte, V. (2013). Differenzialdiagnostische Tabellen – Symptome in der Allgemeinmedizin (1. Aufl.). Huber Verlag.

[3] Klimm, H.-D. & Peters-Klimm, F. (Hrsg.). (2018). Allgemeinmedizin (6. Aufl.). Georg Thieme Verlag.

[4] Lehrke, P. (1998). Impfkonzepte in der Homöopathie Edition Forschung: Eine Erhebung zum Impfverhalten homöopathischer Ärzte. Hippokrates-Verlag.

[5] Impfpflicht versus informierte Entscheidung. (2019, 2. Mai). Deutsches Netzwerk EBM. Abgerufen am 18. Mai 2022, von https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/stellungnahmen-pressemitteilungen 02.05.2019).

[6] Lyons-Wyler, J., Thomas, P. (2021 Jan 22;18(3):936). Relative Incidence of Office Visits and Cumulative Rates of Billed Diagnoses Along the Axis of Vaccination. Int J Environ Res Public Health. doi: 10.3390/ijerph18030936.

[7] Hautärzte sehen Krätze auf dem Vormarsch. (2016, 28. November). Ärzteblatt. Abgerufen am 18. Mai 2022, von https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/71688/Hautaerzte-sehen-Kraetze-auf-dem-Vormarsch

[8] Schultz-Zehden, W. & Bischof, F. (1986). Auge und Psychosomatik (1. Aufl.). Deutscher Ärzteverlag.

[9] Jobst, D. (2013). Facharztprüfung Allgemeinmedizin: in Fällen Fragen und Antworten (4. Aufl.). Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH.

[10] Menopausal Hormone Therapy and Cancer Risk. (2015, 13. Februar). American Cancer Society. Abgerufen am 1. Juni 2022, von https://www.cancer.org/cancer/cancer-causes/medical-treatments/menopausal-hormone-replacement-therapy-and-cancer-risk.html

[11] Günthert, E. A. (2013). Psychosomatische Urologie: Leitfaden für die Praxis-Schriftenreihe der Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin (2. Aufl.). Schattauer.

[12] WONCA International Classification Committee, Mally, T., Committee, W. I. C., Tönies, H., Zehnder, K., Fischer, G. & Glehr, R. (2001). Internationale Klassifizierung der medizinischen Primärversorgung ICPC-2. Springer Publishing.

[13] Spinks A., Glasziou P.P., Del Mar C. B. (2021). Antibiotics for treatment of sore throat in children and adults. Cochrane Database Syst Rev. 2021 Dec 9;12(12):CD000023. https://doi.org/10.1002/14651858.CD000023.pub5

[14] Schweitzer, R., & Schröder, M. (2018). Die Heilpraktiker-Akademie. Gesetzeskunde, Notfallmedizin und Pharmakologie: Mit Zugang zur Medizinwelt. S.48.

[15] Galic, T. & Schnellrieder, H. (2018). Heilpraktiker mit Fachrichtung Homöopathie – ein Laienclub ohne Bildung? Homöopathie KONKRET. 11.Jahrgang, 12/2018, Heft 4. S.13-20.

[16] International Classification of Primary Care - 3rd Revision. Abgerufen am 11.1.2025 von https://www.icpc-3.info/

[17] BFARM - ICD-10-GM Version 2025. Abgerufen am 11.1.2025 von https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm

Verf.: glt | Lekt.: hk, plz | zuletzt geändert am 20.02.2025