„Das, was unsere Zeit von guten Ärzten sowie von einer guten Pflege verlangt, ist das Selbstverständnis einer Persönlichkeit, die hinter die Gesetze der reinen Zweckmäßigkeit blickt und über ihr jeweiliges Fachwissen hinaus die Frage nach dem Ganzen zu stellen vermag. Dieses Ganze ist der Mensch in seiner Stellung zur Welt, die ihn umgibt und die er zugleich ist.“
Giovanni Maio
Das Menschenbild - eine perspektivische Kontroverse
Dem Handeln aller im Gesundheitswesen vertretenen Berufsgruppen liegen Menschenbilder zugrunde, die durch Vorstellungen - über das Menschsein und die Menschlichkeit an sich - das Verständnis von Krankheit und Gesundheit prägen.
Die gegenwärtige medizinische Praxis folgt dabei unterschiedlichen Vorstellungen und Modellen, die hier mit ihren Vorzügen und Nachteilen in einer heuristischen[1] Perspektive dargestellt werden, um Schwerpunkte und Unterschiede der verschiedenen Ansätze leichter unterscheiden zu können.
Der in der alternativ-komplementären Medizin meist plakativ propagierte Gegensatz „wir behandeln keine Krankheiten, sondern kranke Menschen“ kann in der weiterführenden Frage, wie im Verbund aller Perspektiven die situativ jeweils sinnvollste Haltung zum Wohle des Patienten eingenommen werden kann – aufgelöst werden.
Für den Menschen im Umgang mit sich und anderen lassen sich unterschiedliche Entwürfe beschreiben, die mit ihren differierenden Schwerpunkten prägend für die moderne Medizin der letzten 50 Jahre sind. Modellhaft zusammengefasst und dargestellt, ergeben sich vier Perspektiven, denen zwei alternative Haltungen als Gegenentwurf gegenübergestellt werden (Maio, 2017).
Der Patient als Maschine Mensch
Die moderne, technisch ausgerichtete Medizin orientiert sich an der Vorstellung des Körpers als Funktion - analog einer Maschine – und einem primär mechanistischen Menschenbild. Aus dieser Perspektive können physiologische Abläufe isoliert, separiert und in ihre biochemischen Bestandteile zerlegt werden, um sie zu verstehen und zu analysieren. Der Mensch ist aus dieser Perspektive gänzlich durch naturwissenschaftlich begründete Gesetze beschreibbar.
Erfolge dieses Denkens finden sich in den Fortschritten der Physiologie und Pathologie, welche generalisierbare Aussagen über Körperfunktionen und deren Abweichungen bei definierten Krankheiten treffen kann.
Zugleich blendet dieser Reduktionismus alles außerhalb der naturwissenschaftlichen Forschung aus, da er sich als verlängerter Arm der Technisierung, im Sinne einer angewandten, enggeführten reinen Naturwissenschaft, versteht.
Kliniken entwickeln sich auf dieser Grundlage zu technisierten Fabriken, die zudem nach marktökonomischen Prinzipien kosteneffizient geführt werden (sollen/müssen). Am Ende der Entwicklung steht der gewinnorientierte Reparaturbetrieb, der Kranksein als defekten Mechanismus betrachtet. Die Lebenswelt und die geistige Dimension des Krankseins werden nicht wahrgenommen und folglich werden existentielle Fragen ausgeblendet.
Es fehlt diesem Modell die Erkenntnis, dass Heilung mehr ist, als eine Operation und die Applikation von spezifischen Therapieverfahren, sondern, dass Menschen fühlende Beziehungswesen sind. Die Einzigartigkeit jedes Einzelnen und seines Krank-Seins, haben in diesem Denksystem keinen Raum und bleiben konsequent unberücksichtigt.
Der rein mechanistische Therapieansatz lässt auch komplexe Zusammenhänge außer Acht und schafft Folgeprobleme aus sich selbst, überall da, wo eine rein technische Lösung ohne einen erweiterten Blick auf das Ganze nicht ausreicht oder die Reparatur schlicht nicht gelingt.
Der Patient als Souverän
Der Mensch entspricht aus dieser Perspektive einem selbstbestimmten Wesen, das aus einer freien Entscheidung heraus sich die medizinischen Leistungen „leisten“ und additiv zu einer minimalen Grundversorgung optional zukaufen kann. Das Leitbild entspricht dem eines Kunden, der einem marktorientierten Dienstleister in Anspruch nimmt.
Die Dienstleistungen beschränken sich dabei auf das Kaufbare, das Wissen und das technische Können. Der Markt reguliert dabei das Angebot und die Nachfrage.
Die Beziehung zwischen Behandler und Patient gestaltet sich unter dieser Bedingung rein zweckrational. Damit tritt die fehlerlose Leistung mit Garantie eines zeitlich und inhaltlich reibungslosen Ablaufes, die zu erbringende Leistung in den Vordergrund, um dem Wunsch des „Kunden“ zu entsprechen.
Aus Sicht des Patienten betont ein solches Vorgehen die Freiheit des Einzelnen, der seine Bedürfnisse kennt und für deren Erfüllung selbst sorgt, sorgen kann. Dieser Ansatz setzt hohe Eigenverantwortlichkeit und ein reflektiertes Selbstbild voraus, er fördert und unterstützt formal und praktisch geradezu die Freiheit und Selbstbestimmung in Eigenverantwortung.
Der soziale Dienst am Nächsten bildet in diesem Denken nicht die Maxime des Handelns. Das Augenmerk liegt daher vielmehr auf dem Erfüllen von Wünschen. Die Kriterien des Handelns orientieren sich am technisch Machbaren, je nachdem, ob und wie es finanzierbar ist.
Aus Sicht des Behandlers ist dies die Haltung der bedürfnisorientierten Zweckerfüllung, die sich an ökonomischen Gesichtspunkten ausrichtet und sich vom ursprünglichen Sinn des Dienstes am Menschen entfernt, hin zur Lieferung einer perfekten Serviceleistung. Die Wünsche und Vorstellungen des Patienten müssen dann nicht weiter hinterfragt werden.
Ein in Not geratener Mensch, der durch Krankheit leidet und Hilfe braucht, gerät in diesem Denkstil schnell ins Abseits, denn er wird in seltenen Fällen die genannten Bedingungen alle erfüllen können um angemessen über die notwendige und für ihn sinnvolle Behandlung allein zu entscheiden.
Der Mensch als atomistisches Einzelwesen
Diese Perspektive bezieht sich auf die moderne Tendenz, die Gesellschaft bestehe aus einer Ansammlung weitgehend autarker Individuen. Gesellschaftliche Werte, Institutionen, Entwicklungen und Vorgehensweisen entwickeln sich demnach aus den Interessen und Handlungen der Individuen, welche die Gesellschaft bilden. Das Individuum sei dabei vergleichbar mit einem „Atom“ das einzig wahre Objekt von Interesse und reflektierender Analyse. Die Eingebundenheit in einen Kontext könne vernachlässigt werden.
Die Praxis der Medizin folgt in diesem Denken der Idealisierung des Einzelwesens, welchem nach entsprechend informeller Aufklärung Einwilligungen über weitreichende Entscheidungen über seine Existenz, bis hin zu Optionen seines Sterbens, auferlegt werden.
So ideell wertvoll beispielsweise autark getroffene Patientenverfügungen gemeint sind, dürfen sie den Betreffenden weder in seinen Entscheidungen, noch von seinen zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die er angewiesen ist, entkoppeln oder isolieren, denn das wäre ebenfalls reduktionistisches Denken.
Deshalb gilt es, die Urteilsfähigkeit des Patienten in seinem Kontext adäquat und ohne Druck erzeugende Umstände angemessen zu beachten. Dazu gehören wesentliche Aspekte des Dialogs:
- Stets relevante und verständliche Informationen vermitteln
- Das Verstehen als einen Prozess der individuellen Informationsverarbeitung so zu unterstützen, dass die vermittelten Inhalte auch aufgenommen und verstanden werden können.
- Beeinflussungen durch psychischen Druck und zeitdrängende Umstände vermeiden
- Freiwilligkeit und Zustimmung vorrangig durch "Entängstigen" erreichen
- Situationen von Bevormundung, auch durch Angehörige, wahrnehmen und abbauen helfen
Insbesondere das soziale Umfeld und die sozialen Bedingungen des Kranken sollen nicht formal ausgeblendet werden. Nur so kann vermieden werden, Entscheidungen vorschnell und einzig auf die betroffene Person abzuladen, welche in einer Situation der überforderten Selbstentfremdung feststecken kann, erkennbar an Aussagen wie: „ich weiß nicht“ „mir ist das alles zu viel“ „machen sie halt was sie meinen“ „ich will niemandem zur Last fallen“ „vielleicht ist es besser, ich wäre weg“, etc. ...“.
Gerade das aufeinander angewiesen sein zeichnet den Menschen als verbundenes, soziales Wesen aus, dessen Bedürfnisse nicht erfüllt werden können, wenn er aus medizinischer Sicht in seinen Entscheidungen stillschweigend als Einzelwesen isoliert betrachtet und abgehandelt wird.
Der Mensch als das Machbare
Krankheiten werden nicht als Teil des persönlichen Schicksals, zu dem man in ein annehmendes Verhältnis treten kann begriffen, sondern ausschließlich als ein Etwas, dem man mit Bekämpfen, Abwehr und Ablehnung begegnen soll.
Dahinter steckt die Haltung, alles sei machbar, selbst gestaltet oder jederzeit frei gestaltbar. Im Kern führt dies zu einer Vorstellung, nicht nur die äußeren Lebensbedingungen, sondern auch sich selbst unbegrenzt und fortgesetzt „machen“ zu können.
Eine Welt, die jedoch schon bestand, bevor das Individuum geboren wurde, mit all den Vorbedingungen seiner existentiellen Situation, ist angefüllt von Unwägbarem, Unvorhersehbarem und Grenzen durch alles, was sich in Wechselwirkung bedingt.
Das unbegrenzte Machbarkeitsdenken mündet daher in Selbstüberschätzung und verhindert, ein gutes Verhältnis zu den Gegebenheiten der Welt und der eigenen Existenz, in reflektierter Gelöstheit zu entwickeln.
Konsequenzen aus den dominanten Menschenbildern
Das Menschenbild eines souveränen, autarken, in seinen Einzelteilen naturwissenschaftlich analysierbaren und am technischen Machbaren orientierten Menschen hat zur Folge, dass Krankheit summa summarum als Defiziterscheinung des Normalen angesehen wird, die es zu bekämpfen gilt. Damit gilt Kranksein, Schwachwerden, Gebrechlichkeit und Hilfsbedürftigkeit nicht als eine Manifestation des Mensch-Seins an sich, sondern als ein zu reparierender Störfall, welcher dem angestrebten Leitbild des wertvollen Lebens eines stets vollständig leistungsfähigen Menschen, in allen seinen Grundzügen widerspricht.
Dem steht die Tatsache gegenüber, dass ein Behandler einem Kranken jedoch nur dann wirklich helfen kann, wenn das Kranksein als zum Menschen zugehörig, als eine Form der menschlichen Existenz wahrgenommen und (an-)erkannt wird - als eine individuell verschiedene, neue Erfahrung des Lebens, die integriert werden will, um sinnerfüllend weiterleben und in Würde sterben zu können.
Nur eine Medizin, die den auf Hilfe Angewiesenen, den Verletzbaren, durch Krankheit betroffenen und in Würde sterben wollenden Menschen zum Ausgangspunkt ihres Handelns macht, kann wirklich helfen, ein gutes Verhältnis zum eigenen Sein zu entwickeln.
Das bedeutet nicht nur diagnostizieren und benennen, sondern den Menschen verstehen, nicht nur Informationen geben, sondern tatsächlich beraten - nicht nur behandeln, sondern auf dem Weg begleiten.
Aus diesen Konsequenzen ergeben sich zwei alternative ethische Haltungen, welche die Zuwendung des Behandlers zum Kranken hervorheben. Hierbei geht es nicht einfach um mehr Zeit und Bezahlung für eine sprechende Medizin und eine dazu passende Organisation und Struktur der medizinischen Praxis. Vielmehr geht es um die Haltung und die Identität dessen, was Heilkunde ausmacht: die authentische Sorgfalt in der Begegnung, welche die Gestalt des praktischen Handels bestimmt, als bedingungslose Zusage zu Hilfe und Akzeptanz.
Medizin als bedingungslose Zusage zu helfen
Sobald der verletzliche und auf Hilfe angewiesene Mensch die eigentliche Grundlage des Handelns bildet, ergibt sich eine neue Perspektive, welche den Dienst am Not Erleidenden in den Mittelpunkt stellt.
Ob in der Diagnostik, Therapie oder Pflege, aus dieser Perspektive auf den Kranken reicht der Blick in sein Gesicht, um bei allen Vertretern heilender Berufe die Motivation zur Hilfe auszulösen und dieser Berufung zu folgen, auch unabhängig von Versicherungen und deren Erstattungsgebaren.
Das, was diese bedingungslose Zusage zur Hilfe ausmacht, ist das Versprechen des Behandlers, diesen Dienst am Kranken proaktiv, aus innerem Antrieb heraus, auszuüben und Hilfe zu leisten, nach bestem Wissen und Gewissen.
Dieses Versprechen darf nicht verwechselt werden mit dem Anspruch auf Heilung oder Garantie auf Gelingen. Es ist aus dieser Perspektive einzig und allein die Zusage der bedingungslosen Hilfsbereitschaft, welchen sich als Wesen der praktizierten Medizin, mit für den Einzelfall angemessenen Mitteln, realisieren lässt.
Hilfe zur Akzeptanz als Teil des Heilungsprozesses
Heilung ist weder ein Service noch ein Produkt, was man käuflich erwerben kann, noch produziert Therapie einfach Gesundheit. Die Komplexität des Gesundwerdens ist ein umfassender Prozess, der oft auch unvollständig endet oder nur in Teilen verwirklicht werden kann. Diese Tatsache anzunehmen und aktiv zu gestalten, zum Wohle des sich anvertrauenden Patienten, ist eine primäre Aufgabe, gerade im Umgang mit schweren Fällen und dem Leid unheilbar Erkrankter.
Heilungsprozesse werden nicht allein durch Wollen und Können des Behandlers, durch spezifische Interventionen oder durch den Wunsch des Patienten entstehen.
Aus dieser Perspektive heraus handelt es sich um tiefgehende regulative Prozesse im Inneren des Patienten, die unterstützt und begleitet werden wollen und sollen.
Medicus curat natura sanat (der Arzt behandelt, die Natur heilt)
Dieser einfache Satz beschreibt eine seit Hippokrates bestehende Weisheit, die bei genauer Betrachtung im Grunde bis heute nichts an Aktualität verloren hat.
Der Anteil, den die akzeptierende Grundhaltung des Patienten für sich und seine Situation ausmacht, lässt sich im Einzelfall nur schwer bemessen und schon gar nicht objektiv analysieren. Dennoch prägt Akzeptanz das Handeln in jedem Falle und ist auch prognostisch bedeutsam. Das gelingende Handeln ist daher kein Einzelhandeln des Behandlers, sondern bedingt sich durch ein Zusammen-Miteinander-Handeln in Wechselwirkung zwischen Behandler und Patient. Dies gilt besonders für die primären Aspekte des Menschseins:
- die Situation des Geborenwerdens
- des Krankwerdens
- der Genesung
- des Alterns und Sterbens
Zu diesen Prozessen tritt die Medizin mit ihren Vertretern in ein besonderes Verhältnis. Dieses Verhältnis stellt die Grundbedingungen des menschlichen Seins und Miteinanders in den Mittelpunkt einer praktizierten Ethik, die sich über Effizienz, Individualität, Rationalität und Funktionalität hinaus in der Begegnung immer wieder die wesentliche Frage stellt: „Wie kann ich hier in diesem Falle am besten sinngebend helfen?“
Selbstverständnis und Menschenwürde
Der Begriff Menschenwürde ist komplex und wurde in den Zeitpochen der Menschheitsgeschichte unterschiedlich aufgefasst. Die Ethik bezieht sich seit dem Zeitalter der Aufklärung auf die Kant’sche Maxime.
Grundlage der Würde ist nach Kant die Autonomie und Selbstgesetzlichkeit des Willens, eines vernunftbegabten und zur Sittlichkeit fähigen Wesens. Unter diesen Voraussetzungen besitzt der Mensch die Möglichkeiten, seinen Zweck selbst zu bestimmen und dies in seinem Handeln ausdrücken zu können, was dadurch einen inneren Wert erhält, die Menschenwürde. Dieser Würde entspricht die innere Haltung der Achtung als ein unveräußerliches Gut des Menschen, sich selbst und anderen gegenüber. Anthropologisch formuliert, ist diese Verwirklichung des Menschen eine unantastbare Voraussetzung des Seins:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dieser Satz formuliert nicht eine Tatsache, sondern eine Norm, (GG Art. 1) deren Prämissen sich wie folgt zusammenfassen lassen:
- Die Würde des Menschen wird zum kritischen Maßstab, der das Handeln und die Einstellung von Menschen auf die größtmögliche, gegenseitige Berücksichtigung der Würde verpflichtet, ihre Verletzung aufspürt und vermeidet.
- In der Reflektion des Selbst wird die (Vor-)Gabe der Würde zur (Auf-)Gabe ihrer Achtung.
- Weder Krankheit, Sterben noch Tod verletzen die Würde des Menschen, so wenig wie Gesundheit, Genesung und Leben Ausdruck von Würde sind.
- Die Würde wird dort verletzt, wo Menschen, wenn sie als Patienten auf ihre Krankheiten oder Symptome reduziert und das Anliegen auf Heilung und Linderung auf Kosten ihrer Selbstbestimmung, umgesetzt werden.
- Nicht der Anspruch auf ein professionell angemessenes Handeln an sich verletzt oder begrenzt die Würde des Menschen, sondern die Art und Weise wie dies durch die Handelnden umgesetzt wird.
Menschenbild und Selbstverständnis in der homöopathischen Praxis
Aus dem Selbstverständnis der homöopathischen Praxis wird der Mensch nicht auf eine Krankheit und deren Symptome reduziert, sondern in seinem Kranksein als Ganzes geachtet.
In der Krankheit, selbst im Sterben soll der Mensch als Individuum, mit seiner besonderen Lebensgeschichte und seinen eigenen spezifischen Fähigkeiten und Einstellungen zum Leben geachtet werden.
Diese individuellen Fähigkeiten und Einstellungen, dem Leben gegenüber zu treten und gemeinsam mit dem Patienten Ziele für seinen Weg entdecken zu helfen und diese im Wissen um individuelle und allgemein erfahrungsbasierte Zusammenhänge zu unterstützen, beschreibt die ethische Ausrichtung der homöopathischen Medizin.
Grundlage der homöopathischen Praxis ist eine Haltung der bedingungslosen Hilfezusage, welche jedes zur Verfügung Wissen und die eigenen Fähigkeiten in den Dienst der Linderung des Leidens stellt.
Das zugrundeliegende Menschenbild kommt ohne theoretische Trennung von Geist, Seele und Körper aus, da es sich zur Kernaufgabe macht, adäquate Antworten für das auf Hilfe angewiesen Seins, so gut es geht zu erfüllen.
Auch wertet sich eine solche Haltung nicht abgrenzend gegenüber anderen Therapien auf, sondern sucht, die eigenen Begrenzungen im Blick, stets die beste Lösung in der jeweiligen Einzelsituation über die eigenen Möglichkeiten hinaus.
Den Menschen in seiner Würde als Ganzes wahrzunehmen und zu verstehen heißt, ihn in jedem Falle als Individuum zu verstehen.
Menschen mit Behinderungen unterscheiden sich lediglich dahingehend, dass Betreuende helfen können und sollen, die Einzigartigkeit des Betreffenden besser zu verstehen.
Auch die Sicht auf über-individuelle Zusammenhänge setzt nicht außer Kraft, dass jeder Mensch als Einzelfall gesehen werden muss, denn Gesundheit ist aus holistischer Sicht mehr und etwas anderes als die Abwesenheit von Krankheit (s.a. Krankheitsverständnis in der Homöopathie). Jeder einzelne Patient bildet in seiner Selbstbestimmung, die für ihn und seine Angehörigen Gültigkeit besitzt, ein Korrektiv gegenüber der Gefahr von leitlinienkonformer Verallgemeinerung und Ideologisierung, die sich rein aus statistisch begründeten Vorgehensweisen speist.
Quellen und Referenzen
[1] Beauchamp, T. L., & Childress, J. F. (2019). Principles of biomedical ethics (8th ed.). Oxford University Press.
[2] Lindemann, G. (2011) in Graumann, S., & Rabe, M. (2011). Menschenbilder in der (Medizin-)Ethik. Ethik in der Medizin: Organ der Akademie für Ethik in der Medizin, 23(1), 1–3. https://doi.org/10.1007/s00481-010-0117-5
[3] Maio, G. (2017). Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin: Ein Lehrbuch - Mit einem Geleitwort von Wilhelm Vossenkuhl. 2. Auflage. S. 477ff.
Weiterführende Literatur
Bergner, T. (2021). Mentale Gesundheit für Ärzte und Psychotherapeuten: Ein Praxisbuch zur Verbesserung der Lebensqualität.
Biller-Andorno, N., Monteverde, S., Krones, T. & Eichinger, T. (2021). Medizinethik. Springer VS
Curlin, F. & Tollefsen, C. (2021). The Way of Medicine: Ethics and the Healing Profession. University of Notre Dame Press.
Gahl, K. (2005). Urban Wiesing (Hrsg. in Verbindung mit Gisela Bockenheimer-Lucius, Eduard Seidler und Georg Marckmann) (2003) Diesseits von Hippokrates. 20 Jahre Beiträge zur Ethik in der Medizin im Ärzteblatt Baden-Württemberg. Gentner Verlag, Stuttgart, 411 Seiten, ISBN 3-87247-615-7. Ethik in der Medizin, 17(1), 75–76. https://doi.org/10.1007/s00481-005-0357-y
Verf.: glt | Rev.: gbh, mnr, smi, sfm | Lekt.: pz | zuletzt geändert 20.02.2025